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  • Freitag, 29. März 2024
Intels anstehende Revolution des Netzteilmarkts

Intels anstehende Revolution des Netzteilmarkts: Ein Überblick

Die Gerüchteküche hat schon länger gebrodelt, doch offiziell gab es bisher keine Aussagen zum Thema. Manche Hersteller von Workstations, beispielsweise Dell (siehe Service Handbuch OptiPlex 5070, Seite 67), haben den Schritt schon vor längerer Zeit hinter sich gebracht. Nun wurde uns ein Dokument von Intel zugeschickt (danke an den User "Stefan Payne" aus dem PC Games Hardware Forum für das Auftreiben des Design Guides!), welches die Netzteil-Welt nachhaltig verändern könnte und wohl auch wird - indem alle Spannungen außer der +12 Volt Schiene weggelassen werden. Dies würde unter Anderem den 24-Pin Stecker obsolet machen, sowie andere Laufwerks-Anschlüsse benötigen. Auf die dafür bevorstehenden technischen Änderungen und die Auswirkungen auf uns als Kunden möchten wir in diesem Artikel kurz eingehen.

Status Quo und technische Hintergründe

Die aktuellen ATX Standards sehen, wie ihr vermutlich wisst, eine ganze Menge an unterschiedlichen Spannungen vor. Am besten sieht man dies an etwas älteren Netzteilen mit vielen bunten Kabeln, wo jede Spannung ihre eigene Farbe besitzt und das große 24-Pin Kabel aussieht wie ein Farbmalkasten. +12 Volt zur Versorgung von CPUs und Grafikkarten, +5 Volt zur Versorgung von USB Geräten und SSDs, +5 Volt Stand-By für USB Geräte und Anderes bei ausgeschaltetem PC, +3,3 Volt, die aktuell ebenso wie -12 Volt irgendwie gar nichts mehr machen.

Diese sind allesamt Übrigbleibsel aus den Anfangstagen der ATX Normen, als DC-DC Wandler (die aus einer Spannung eine beliebige Andere machen können) noch sehr teuer und ineffizient waren. Obendrein liefen viele Chips auf den Platinen mit teilweise hohen Versorgungsspannungen. SDRAM war beispielsweise direkt an den 3,3 Volt des Netzteils angebunden. Aktuell hingegen wird fast nur mehr die +12 Volt Schiene verwendet, von der aus über diverse Spannungswandler (Englisch: VRM, Voltage Regulator Module) auf den Mainboards, Grafikkarten und teilweise sogar auf Laufwerken dann die diversen Bauteile versorgt werden, welche inzwischen meist mit 1,x Volt betrieben werden.

Auf dem linken Bild sieht man das 24-Pin Kabel eines LC-Power LC6560GP3 Silber, welches wir vor einiger Zeit getestet hatten, neben den PCI Express 6+2-Pins und dem EPS 4+4-Pin. Die rechte Abbildung, welche aus dem oben verlinkten Dell-Dokument (© DELL) entstammt, zeigt hingegen Dells Implementierung eines "Mainboard" Steckers ohne Nebenspannungen. Sie setzen allerdings, im Gegensatz zu Intel, auf einen 8-Pin statt auf einen 10-Pin Verbinder.

Warum wäre eine Modernisierung überfällig?

"Na gut, dann haben wir halt zu viele Spannungen. Schadet ja nicht!" , kann man nun denken. Dies ist im Grunde auch richtig, allerdings haben diese Relikte durchaus auch ihre Nachteile! In erster Linie bedeuten sie, dass in den Netzteilen mehrere Spannungen erzeugt werden müssen. Hierfür gibt es die (inzwischen veraltete und bei High-End Hardware nicht mehr geeignete) Gruppenregulierung, bei der alle Spannungen gemeinsam über einen Transformator erzeugt werden. Was früher, als noch alle Schienen grob gleich stark belastet wurden gut lief, sorgt bei der heutigen asymmetrischen Last für sehr ungenaue und schwankende Spannungen am Ausgang. Dafür werden bei besseren Geräten meist DC-DC Wandler für die Nebenspannungen in die Netzteile integriert, welche diese einzeln reguliert bereitstellen.

Beide Optionen (vor allem letztere) sorgen für einen deutlich erhöhten Bauteil- und Platzaufwand in Netzteilen. Mehr Bauteile bedeuten höhere Produktionskosten, weniger Platz den man für gute Kühlung oder zusätzliche Glättung verwenden könnte (gerade in SFX Netzteilen ein großes Thema!) und mehr potentielle Fehlerquellen. Zudem würde das Weglassen der Nebenspannungen die Effizienz auch noch etwas steigern. Was läge also näher, als einen harten Schnitt zu machen und eine komplett neue Generation von Netzteilen für die modernen Anforderungen zu erstellen?

Im Falle des Enermax Revolution SFX könnte beispielsweise die gesamte eingerahmte Platine eingespart werden, ebenso etliche Kabel und einige Kondensatoren. Den so frei gewordenen Platz hätte der Hersteller beispielsweise für größere Kühlkörper und weitere Kondensatoren verwenden können.

DC-DC Platine eines Enermax Revolution SFX 650

Gründe für das lange Festhalten an alter Technik

Wie so oft, ist der Hauptgrund wohl die Abwärtskompatibilität. Der Wechsel von eingefahrenen Standards ist immer schwierig und da Mainboards nach wie vor auf Nebenspannungen vertrauen, sowie manche SSDs/Festplatten ebenso noch 5 Volt verwenden, ist es kaum möglich einen sauberen Übergang zu machen. Darüber hinaus ist es vermutlich auch den Herstellern und Händlern ein Dorn im Auge, wenn plötzlich ihre ganzen Entwürfe und Modelle (bzw. ihr ganzer Lagerbestand) "deprecated" und nicht mehr für moderne Hardware geeignet wären. Hier muss abgewägt werden, was sich am Ende preislich mehr rentiert. Ein technisch sinnvollerer Standard, der aber viele Folgekosten mit sich zieht? Oder am alten System festhalten, auch, wenn die Fertigung unnötig teuer ist? Scheinbar haben wir nun den Punkt erreicht, wo ein Umstieg langsam interessant wird.

Was kommt neu, was bleibt gleich?

An den bisherigen klassischen 12 Volt Steckern wird sich nichts ändern. Das wären der EPS 4-Pin oder 4+4-Pin für die CPU (meist oberhalb des CPU-Sockels am Mainboard), sowie die PCIe 6+2-Pins für Grafikkarten und andere PCI Express Karten mit hohem Stromverbrauch. Auch Molex wird - wenn auch nur mehr zur Hälfte und ohne 5 Volt Kabel - weiterhin Verwendung für Lüftersteuerungen, Wasserkühlungs-Pumpen und ähnliches finden. Der teilweise schrecklich zu verlegende und sperrige 24-Pin zum Mainboard hingegen wird durch einen kompakten 10-Pin Verbinder ersetzt. PS_ON und PWR_OK als Kabel zur Kommunikation zwischen Board und Netzteil bleiben, ebenso wie natürlich 12 Volt und Masse. Was hingegen neu ist, ist Pin 7. Dazu noch 12 Volt Stand-By als Ersatz für die bisherigen 5 Volt Stand-By.

Etwas komplexer wird SATA. Die meisten Laufwerke bauen hier nach wie vor auf 5 Volt, ältere teilweise noch auf 3,3 Volt. Letztere werden laut Dokument nun wohl endgültig nicht mehr verwendbar sein, denn die 3,3 Volt fallen komplett weg. Statt Kabeln direkt vom Netzteil zu den Platten, sieht Intel nun Spannungswandler sowie 4-Pin oder 6-Pin Stromstecker auf den Mainboards direkt vor, über welche dann die SATA Geräte versorgt werden können. Dieser Ansatz ähnelt dem von Dell's anfangs verlinkten Optiplex System.

Auf den Bildern ist links eine Grafik aus der aktuellen ATX Norm von Intel, Seite 33 zu sehen und rechts ein von uns daraus erstelltes "mockup" wie die neue Norm aussähe.

Wann wird dieser neue Standard kommen?

Hier kann man momentan, ohne Einblick in interne Daten von Herstellern, nur spekulieren. Wir erwarten, dass der Fertigrechner/Workstation Markt von großen Herstellern wie Lenovo, Dell und co. wohl recht schnell auf Intels neuen Standard umschwenken wird. In erster Linie, weil sich damit Geld sparen lässt, ohne Kompromisse bei Qualität und Langlebigkeit einzugehen. Aus diesem Grund sind manche bereits vor einer Weile auf proprietäre Lösungen umgestiegen. Aber nun, wo es eine offizielle Norm gibt, vermuten wir, dass diese zum Einsatz kommen wird. Der Consumer Markt hingegen ist schwerer einzuschätzen, da hier deutlich mehr Hardware aus verschiedenen Jahren zusammen verwendet wird und die User meist auch weniger Überblick über den Markt und die Technologien haben, als große Firmen.

Wir denken, dass das Erscheinen von DDR5 am Endkunden-Markt (voraussichtlich 2021) eine gute Gelegenheit wäre. Da werden sowohl AMD als auch Intel vermutlich neue Sockel vorstellen. Wenn man bereits Board, RAM und CPU neu kauft, ist eine Neuanschaffung eines Netzteils ein verschmerzbarer finanzieller Mehraufwand. Aber dies ist reine Spekulation!

Was bedeutet das für die Endkunden?

Nutzer, die Fertig-PCs kaufen, werden vom Umstieg wohl gar nichts mitbekommen. Bastler und Enthusiasten hingegen, die ihre Rechner selbst zusammenstellen, schon eher. Ab einem gewissen Punkt wird es neue Mainboards und Netzteile geben, wo keine sinnvolle Abwärtskompatibilität mehr gegeben ist. Alte Netzteile ließen sich auf den neuen Standard noch recht einfach über einen Adapter von 24-Pin auf 10-Pin (mit einem kleinen 5 Volt auf 12 Volt 1-2 Ampere Step-Up-Wandler für die Stand-By Leistung) adaptieren. Ein solcher sollte kaum mehr als 5 Euro kosten und würde es ermöglichen den altbekannten Stromspender weiterhin zu verwenden. Hierfür muss dies allerdings ein modernes DC-DC Netzteil sein. Gruppenregulierte Modelle werden mit dieser komplett asymmetrischen Last ziemlich sicher nicht mehr zuverlässig funktionieren.

Über fünf Jahre Garantie als Kaufargument anzusehen, würden wir aktuell aber eher weniger. Solange nicht sicher ist, ob es solche Adapter geben wird, muss man davon ausgehen, dass das eigene Netzteil (egal ob Mittelklasse oder High-End) beim nächsten Plattformupdate eventuell nicht mehr übernommen werden kann.

Anders herum ist hingegen vermutlich gar keine Kompatibilität mehr möglich. Wer noch ein "altes" Mainboard auf dem aktuellen Stand hat, wird nach dem Umstellen kein neues Netzteil mehr kaufen können. Da die Händler aber wohl noch eine ganze Weile alte Modelle auf Lager haben und die Hersteller die Produktion auch nicht direkt auf null fahren werden, sollte sich auch in den kommenden Jahren nach der neuen Norm noch das ein oder andere kompatible Netzteil auftreiben lassen.

Schlussworte des Autors

Wie ihr bereits festgestellt haben werdet, war der ganze Artikel stark auf persönlichen Vermutungen basiert. Daher kann ich mich auch irren, gerade was das Eintreten des Umstiegs betrifft. Der Markt ist schwer einzuschätzen, und wie die Firmen Intels neuen Standard aufnehmen wissen wir nicht. Persönlich finde ich, dass der Wechsel besser heute als morgen kommen sollte. Es ermöglicht effizientere, langlebigere Netzteile mit besserer Kühlung, besserer Spannungsstabilisierung und niedrigeren Kosten. Da keine Schutzschaltungen mehr für die Nebenspannungen implementiert werden müssen, erhoffen wir uns darüber hinaus eine verbesserte Absicherung der Hauptspannung. Intel empfiehlt im Dokument explizit Multi-Rail Netzteile (was sie aber auch schon länger tun und damit fleißig ignoriert wurden) - mit etwas Glück werden wir in Kürze mehr Netzteile mit deutlich sichereren 12 Volt Multi-Rail Schutzschaltungen auf dem Markt finden.

Da aber noch unbekannt ist, wann und wie der Umstieg erfolgen wird, rate ich davon ab, das eigene Aufrüst-Verhalten irgendwie davon beeinflussen zu lassen. Leistung muss man kaufen, wenn man sie benötigt, und nicht warten, weil vielleicht was tolles Neues irgendwann kommen wird. Die Hardware-Welt ist in stetigem Wandel - es wird immer etwas Besseres erscheinen, und warten könnte man daher endlos. Nichtsdestotrotz blicke ich sehr neugierig und hoffnungsvoll auf die Umsetzung von Intels neuen Normen. Es kommen spannende Zeiten auf uns Netzteil-Tester zu!

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